Transfer 04/2025

Aus dem Inhalt:

Editorial

Unternehmen nutzen KI-Tools zunehmend, auch in Kommunikation und Marketing, obwohl Halluzinationen Probleme bereiten können. Besonders in der Produktion zeigen sich Rationalisierungserfolge: Werbespots oder Druckvorlagen entstehen in Tagen oder Minuten, Kosten sinken drastisch. KI eröffnet Chancen für kleinere Firmen und ermöglicht präzises One-to-one-Marketing.

Standpunkt

Aktuelle Themen für die Werbung – Statement des Präsidenten der DWG Deutsche Werbewissenschaftliche Gesellschaft

Die Werbewissenschaft erfährt neue Bedeutung in Wirtschaft, Gesellschaft und Forschung. Das DWG-Symposium am 30.10.2025 in Wuppertal zur Gestaltung wirksamer Markenkommunikation zeigte Chancen und Herausforderungen durch KI sowie eine realistische Sicht auf Werbung. Zentrale Themen sind ein realistisches Menschenbild, Vertrauen in Marken und Wissenschaft, die Rolle der KI in der Wissensproduktion und der Wandel der Agenturlandschaft. Werbung rückt erneut ins Zentrum der Kommunikationswissenschaft.

Univ.-Prof. Dr. H. Dieter Dahlhoff
Präsident der DWG Deutsche Werbewissenschaftliche Gesellschaft e.V., Universität Kassel

Forschung

Vertrauen als neue Währung der Werbewirkung – Wie groß ist der Einfluss der Medienmarke?

Dass Werbung seine Wirkung nicht losgelöst vom Kontext entfaltet, wurde bereits in mehreren Studien nachgewiesen. Wie genau das Vertrauen in ein mediales Umfeld allerdings auf die Werbereaktion von Konsumentinnen einwirkt, wurde bisher nicht spezifisch analysiert. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Studie den Einfluss des Medienmarkenvertrauens auf die Werbeakzeptanz und -vermeidung, moderiert durch die beiden Nutzungsmotive Unterhaltung versus Information. Die Ergebnisse zeigen, dass Vertrauen ein wichtiger, signifikanter Treiber der Werbereaktion ist und die Werbeakzeptanz bei vertrauenswürdigen Medienmarken, die Nutzerinnen zu Informationszwecken aufsuchen, am höchsten ist.

Dr. Steffen Heim
Institut für Marketing, Helmut-Schmidt-Universität

Prof. Dr. Michael Fretschner
Lehrstuhl für Marketing und e-Commerce, NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn/Hamburg (korrespondierender Autor)

Schwerpunkt

Breaking through the Clutter – die Gestaltung wirksamer Markenkommunikation

In einer Welt der Reizüberflutung ist Aufmerksamkeit die größte Herausforderung für den Werbeerfolg. Strategisch müssen Marken glasklare Positionierungen ableiten, die für die Zielgruppen Relevanz haben und vom Wettbewerb möglichst differenzieren. Auf der Umsetzungsebene zählt ultimative Konsequenz und Erlebnisorientierung. Die zentrale Markenbotschaft muss extrem schnell und aufmerksamkeitsstark transportiert werden. So entsteht Werbung, die selbst im digitalen Clutter Aufmerksamkeit herstellt, erinnert wird und Wirkung entfaltet.

Prof. Dr. Tobias Langner
Lehrstuhl für Marketing, Bergische Universität Wuppertal

Dr. Julian Felix Kopka
Lehrstuhl für Marketing, Bergische Universität Wuppertal

Besseres Erlebnis, besseres Ergebnis – Mehr Markenkraft durch multisensorische Brand Experience

Die Effektivität von Markenkampagnen sinkt, da Kommunikation zunehmend kurzfristigen Effizienzzielen untergeordnet wird. Mit der Budgetverlagerung in das Performance-Marketing erzielen selbst erfolgreiche Kampagnen seit 2008 rund 25 Prozent geringere Effekte auf ökonomisch relevante KPIs. Um diesen Trend zu brechen, braucht es ein tieferes Verständnis der Brand Experience als komplexes Zusammenspiel von Leistungsversprechen, Signalen und Touchpoints. Das Modell des BX-Navigator® ermöglicht erstmals die ganzheitliche Messung, Steuerung und gezielte Optimierung dieser drei Erfolgsfaktoren. Besonders wirksam zeigen sich multisensorische Markencodierung und Leuchtturmerlebnisse. Eine empirische Studie (n = 6.005) belegt für Handelsmarken, dass der Kauf oder Empfang einer Prepaid-Geschenkkarte ein solches Erlebnis darstellt und die Effektivität anderer Touchpoints deutlich steigert.

Olaf G. Hartmann
Gründer und Geschäftsführer des Multisense Instituts sowie Co-Autor von „Touch – Über den Haptik-Effekt im multisensorischen Marketing“ sowie Host des Podcast MARKENKRAFT

Uwe Munzinger
Gründer und Geschäftsführer der Munzinger Brand & Experience GmbH sowie Autor zahlreicher Bücher zum Thema Marke, zuletzt „11 Irrtümer über Marken“

Strategisches Farbdesign in der Markenkommunikation

Farben sind die erste und mächtigste Botschaft einer Marke, die unbewusst Emotionen, Verhalten und Persönlichkeit beeinflussen. Dieser Beitrag beleuchtet, wie strategisches Farbdesign Markenidentität schafft, Wohlbefinden fördert und Handlungsmotivation steuert. Basierend auf farbpsychologischen Erkenntnissen wird gezeigt, dass Farben wie eine unsichtbare Sprache wirken: Sie verdichten Werte in Nuancen, spiegeln Persönlichkeitsmerkmale wider und regulieren physiologische Reaktionen. Beispiele von Marken wie Coca-Cola, Apple und IKEA illustrieren, wie präzise Farbsysteme – von Basisfarben bis Interaktionsfarben – Kohärenz und Loyalität erzeugen. Kulturelle und technische Aspekte werden berücksichtigt, um Farbe als systematisches Tool der Markenführung zu etablieren. Letztlich positioniert der Text Farbe als Medizin und Spiegel der Markenwelt, die Lebensgefühle prägt und nachhaltigen Erfolg sichert.

Prof. Dr. Axel Buether
Lehrstuhl für Didaktik der visuellen Kommunikation und Gründer Institut für evidenzbasierte Farbpsychologie, Bergische Universität Wuppertal

„Wer Menschen bewegen will, muss sie berühren“

Christian Ratsch über Kreativität, KI und die Zukunft der Agenturen (Interview)

Marken müssen wieder mutiger werden, Muster brechen und den Menschen ins Zentrum stellen – nicht die Technologie. KI ersetzt keine Kreativität, sie verstärkt sie. Agenturen stehen vor einer Phase der Konsolidierung, doch ihre Relevanz wächst, wenn sie Strategie und Kollaboration beherrschen. Christian Rätsch, CEO von Team BBDO, erläutert in einem Interview seine Vorstellungen zu Aufmerksamkeit, Authentizität und die Zukunft der Kommunikation.

Christian Rätsch
CEO, TEAMBBDO

Dirk Engel
Unternehmensberater und Marktforscher

Digitale Doppelgänger: Der Paradigmenwechsel im Live-Marketing-Controlling

Events sind heute ein zentrales Instrument im Marketing-Mix: Sie schaffen Resonanz, Begegnung und nachhaltige Wirkung. Die zentrale Frage lautet: Wie lässt sich diese Wirkung zuverlässig gestalten? Digitale Doppelgänger können innerhalb der Marktforschung eine Antwort darauf geben. Anders als klassische Modelle, die erst im Nachhinein messen, setzen sie bereits vor dem Event an und markieren damit einen Paradigmenwechsel im Live-Marketing. Als psychologisch fundierte, KI-gestützte Charaktere können sie befragt, in Dialog und Co-Creation einbezogen und für das Testen von Szenarien und Formaten genutzt werden, noch bevor das Event beginnt. So werden unterschiedliche Teilnehmendentypen berücksichtigt, Dramaturgien optimiert und Spannungsfelder sichtbar. Das Ergebnis: höhere Effizienz, größere Relevanz und eine messbarstärkere Wirkung von Events.

Colja Dams
Co-CEO, VOK DAMS Events & Live-Marketing worldwide

Unlocking the secrets of award-winning retail store design – The case of Deutsche Telekom in Germany

Despite the rise of digital sales channels, Deutsche Telekom continues to invest heavily in its physical retail operations. This case study demonstrates how the company leverages stores as strategic innovation hubs that extend far beyond their traditional sales function. The analysis highlights the role of store design, technological integration, and symbolic branding as key drivers of customer experience and brand equity. Flagship stores serve as a testing ground for testing new concepts, while local adaptations strengthen cultural relevance within communities. Findings suggest that in highly digital industries, physical retail remains strategically valuable – not as a relic of the past, but as a platform for differentiation, customer engagement, and innovation. Properly designed, physical stores complement digital channels and reinforce the overall brand experience.

Dr. Patrick Weretecki
Lehrbeauftragter für Marketing an der Hochschule Mainz

Ipshita Sharma
Masterstudentin an der Hochschule Mainz

Prof. Dr. Samuel Kristal
Professor für ABWL, insb. Marketing an der Technischen Hochschule Brandenburg

Synthetische Zielgruppen im Pre-Testing von Werbemitteln: Eine Typologie und Analyse zur Sicherstellung der Validität

Die Werbewirkungsforschung steht vor einem Paradigmenwechsel: Agile Kreationsprozesse erfordern eine Geschwindigkeit, die traditionelle Pre-Testing-Methoden nicht mehr leisten können. KI-gestützte synthetische Zielgruppen versprechen hier Abhilfe, werfen aber die fundamentale Frage nach der Validität ihrer Erkenntnisse auf. Dieser Beitrag entwickelt ein konzeptionelles Framework, das dieses Validitätsproblem in drei technologische Kernanforderungen dekonstruiert: Diversität, Grounding und Validierung. Auf Basis dieses Frameworks wird eine Typologie synthetischer Zielgruppen – von prompt-basierten Personas über digitale Customer Twins bis hin zu agenten-basierten Marktsimulationen – vorgestellt. Anschließend wird systematisch bewertet, wie gut diese Ansätze die technologischen Herausforderungen lösen und sich damit für valide Simulationen eignen. Der Beitrag zeigt auf, dass erst die Lösung des Validitätsproblems eine fundamentale Verlagerung in der Werbewirkungsforschung von reaktiver Messung hin zu proaktiver, simulationsgestützter Kreation ermöglicht.

Dr. Tobias Klinke
Co-CEO & Co-Founder, experial GmbH

Nader Fadl
Co-CEO & Co-Founder, experial GmbH

Prof. Dr. Bakr Fadl
Professor of Entrepreneurship and Innovationmanagement, International School of Management

Praxis

From Surveys to Signals: Using Large Language Models to Measure Customer Experience

Customer experience (CX) has become a critical differentiator, yet traditional survey-based measures are limited in scope, timeliness, and cost. This study explores how large language models (LLMs) can extract CX-related insights from user-generated content, using Google reviews. Our results show that LLM-based assessments align closely with expert ratings and enable scalable benchmarking, concept evaluation, and market-wide satisfaction mapping. While biases remain, our results show that LLMs can reliably process verbatims and identify emerging themes at scale, giving practitioners new situational awareness. We position LLMs as complements, not replacements, to traditional CX research methods.

Alexander Daum
Consultant, rpc – The Retail Performance Company

Stephan Pauli
Head of Business Development, rpc – The Retail Performance Company

Prof. Dr. Dr. h.c. Marko Sarstedt
Professor for Marketing, Ludwig-Maximilians-Universität München and Babeș-Bolyai-Universität Cluj

Das Touchpoint-Management-Framework

Unternehmen bespielen im Schnitt 150 bis 250 Touchpoints mit ihren Kunden. Bisher gibt hierzu nur grobe Schätzungen und meist nur konkrete Nennungen von 15 bis 25 Touchpoints. Der vorliegende Beitrag präsentiert mit 226 Touchpoints erstmals eine umfassende Touchpoints-Übersicht, die sich in sieben Bereiche unterteilen lässt. Daneben wird ein Touchpoint-Management-Framework vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen dreistufigen Prozess, mit dem relevante Touchpoints turnusgemäß neu identifiziert, priorisiert und aus Management- und Markensicht optimiert werden können. Darüber hinaus wird auf Customer Journeys als typischen Abfolgen von Touchpoints eingegangen und verdeutlicht, wie Journeys und Personas zusammenhängen. Ziel ist es, den Kunden ein optimales Markenerlebnis zu bieten, das ihn für die Marke begeistert und langfristig an die Marke bindet.

Prof. Dr. Karsten Kilian
Leiter des Masterstudiengangs Marken- und Medienmanagement, Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Merle Loesser
Absolventin des Würzburger Masterstudiengangs und Junior CRM-Managerin bei congstar, Köln

Inszenierte Echtheit? Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung realer und virtueller Influencer*innen

Neben menschlichen Influencerinnen erobern zunehmend computergenerierte Persönlichkeiten, sogenannte virtuelle Influencerinnen, die Social-Media-Landschaft und damit auch das Influencer-Marketing. Mit ihrer teils millionenstarken Reichweite sind sie für Unternehmen eine innovative Option, bergen jedoch auch spezifische Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich Glaubwürdigkeit und Authentizität. Der Beitrag untersucht in einer experimentellen Studie die Wirkung virtueller und realer Influencerinnen in unterschiedlichen visuellen Darstellungen anhand zentraler Glaubwürdigkeitsdimensionen. Auf Basis der Ergebnisse werden konkrete Handlungsempfehlungen für den strategischen, kontextbasierten Einsatz virtueller Influencerinnen im Markenmanagement abgeleitet.

Assoz. Prof. (FH) Mag. Uta Fessler-Purkarthofer
MBA FH Kufstein Tirol

Prof. (FH) Dr. Kristina Kampfer
FH Kufstein Tirol

Anna Katharina Schollmeyer, MA
FH Kufstein Tirol

Buchbesprechungen

GIENOW-HECHT, Jessica: Vom Staat zur Marke. Die Geschichte des Nation Branding. Ditzingen: Reclam, 2025, 192 Seiten, Hardcover, 25,00 Euro, ISBN 978-3-1501-1526-8
Rezensent: Prof. Dr. Jan Lies, FOM Hochschule

VOLLERT, Klaus: Strategisches Marketing Grundlagen, Maßnahmen und Umsetzung. Wiesbaden: Springer Gabler, 2025, 879 Seiten, Softcover, 37,99 Euro, ISBN 978-3-6584-7659-51
Rezensent: Prof. Dr. Jürgen Schulz, Universität der Künste Berlin

FIELD, Andy, WAGENMAKERS, Eric-Jan, VAN DOORN, Johnny: Discovering Statistic Using JASP. Thousand Oaks: Sage, 2025, 792 Seiten, Softcover, 47,99 Euro, ISBN: 978-1-5296-9143-6
Rezensent: Prof. Dr. Claas Christian Germelmann, Universität Bayreuth

BERTHOLD-KREMSER, Birgit, Kuhnhen, Stefanie, MOZART, Franziska: Superpower Sustainable
Marketingy. Freiburg: Haufe, 2025, 256 Seiten, Softcover, 39,99 Euro, ISBN: 978-3-6481-8459-2. Rezensent: Univ.-Prof. Dr. Andreas Strebinger, Universität Graz